Dienstag, 27. März 2007

Deutscher Lottoverband zu den Stellungnahmen der Europäischen Kommission

Zentrale Aussagen der Stellungnahme der Kommission zum Notifizierungsverfahren vom 22. März 2007 zum Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages sowie des Schreibens der Europäischen Kommission vom März 2007 im Vertragsverletzungsverfahren zu § 284 Abs. 1 StGB i. V. m. LoStV

1. EU sagt nein zum Vorschieben von Spielsucht, um die Einnahmen aus dem Lotteriemonopol zu sichern.

Der Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages stützt sich nicht auf Daten, die eine tatsächliche Gefahr der Spielsucht im Internet in Deutschland belegen. Der Kommission konnten hierzu keine Folgenabschätzungen oder Studien vorgelegt werden. Zur Rechtfertigung der einschränkenden Regelungen des Entwurfes hätte es jedoch solcher Belege bedurft (Stellungnahme zum Notifizierungsverfahren S. 3, Ziff. 2.1 der Stellungnahme).

Es gibt keinerlei Nachweise eines echten oder sogar potentiellen Risikos der Spielsucht für 20 Mio. Menschen, die wöchentlich Lotto spielen oder auf Sportwetten setzen (Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 37).

Die Europäische Kommission prüft ausdrücklich auch auf der Grundlage der Sportwetten-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 (Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 31, 43 ff.). Auf dieser Grundlage kommt die Kommission zu vernichtenden Feststellungen für den Lotteriebereich: Deutschland betreibt keine konsistente und systematische Politik zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht (Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 35).

2. EU sagt nein zur Gleichsetzung aller Glücksspielangebote.

Es gibt keine Differenzierung zwischen den einzelnen Glücksspielangeboten (Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 37).

3. EU sagt nein zur Behauptung, Placanica sei nicht relevant für Deutschland

Selbst wenn der Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages den Zielen der Spielsuchtbekämpfung und des Jugendschutzes dienen würde, wären seine Regelungen nicht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wie sie zuletzt im Urteil des Gerichtshofs vom 06. März 2007 in der Rs. Placanica bestätigt wurde. Nach der – nach Ansicht der Kommission auch für Deutschland relevanten – Placanica-Entscheidung des EuGH (Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica, Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 49) dürften die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages zur Erreichung dieser Ziele nicht diskriminierend sein (S. 2 der Stellungnahme zum Notifizierungsverfahren a.E.).

4. EU sagt nein zur völligen Nichtberücksichtigung von Glücksspielen mit höherem Suchtpotenzial (z.B. Automatenspiel, Pferdewetten)

Der Glücksspielstaatsvertrag eignet sich nicht zur Bekämpfung von Spielsucht und zum Jugendschutz. Dies ergibt sich auch aus dessen Inkonsistenzen. Er findet auf Lotterien und Sportwetten Anwendung, nicht aber auf Glücksspiele, die ein viel höheres Geährdungspotenzial für Spielsucht aufweisen (S. 3, Ziff. 2.2 der Stellungnahme zum Notifizierungsverfahren).

5. EU sagt nein zum Monopol als angemessene Maßnahme für Jugendschutz und der Spielsuchtprävention

Die im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehenen einschränkenden Maßnahmen sind unverhältnismäßig, weil mildere Mittel zur Bekämpfung der Spielsucht und zum Schutz von Jugendlichen möglich wären, z.B. eine vorherige Registrierung und Identifizierung der Spieler und ihres Alters und die Begrenzung der Spieleinsätze (S. 3, Ziff. 2.3 der Stellungnahme zum Notifizierungsverfahren).

Es gibt keine verlässliche Analyse der Zweckmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit des Lottomonopols als Mittel zur Bekämpfung von Spielsucht (Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 37). Nach Schätzungen gibt es in Deutschland 90.000 Spielsüchtige (im Vergleich zu 13,8 Mio. Menschen mit Alkoholproblemen). Ein irrationales Suchtverhalten im Falle von Lotterien ist kaum ermittelbar.

6. EU sagt nein zur Bevorzugung deutscher Betreiber in einer Übergangsfrist

Eine besonders deutliche Diskriminierung enthält der Entwurf des Glückspielstaatsvertrages in § 25 Abs. 6. Dort regelt er eine übergangsweise Ausnahme vom Internetverbot, die ausschließlich deutschen Vermittlern zugute kommt und de facto Veranstalter und Vermittler aus anderen Mitgliedsstaaten diskriminiert (S. 2, Ziff. 1 der Stellungnahme zum Notifizierungsverfahren).

7. EU sagt nein zur Rechtmäßigkeit des Glücksspielstaatsvertrages – über das Internetverbot hinaus

Die Kommission hat zunächst nur die Rechtswidrigkeit des Internetverbots in § 4 Abs. 4 des Entwurfs dargelegt. Sie äußert aber auch deutliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der übrigen einschränkenden Regelungen des Entwurfs und wird zu einem späteren Zeitpunkt zu deren Verhältnis- bzw. Unverhältnismäßigkeit Stellung beziehen (Abschlussbemerkung der Stellungnahme zum Notifizierungsverfahren).

8. EU sagt nein zur Rechtmäßigkeit der Glücksspielerlaubnis für Lotto Rheinland-Pfalz.

Die Kommission stellt fest, dass in Rheinland-Pfalz ein privates Unternehmen ohne staatliche Beteiligung die Lotterie betreibe. Dies sei diskriminierend, da die Erlaubnis für Lotto Rheinland Pfalz ohne eine öffentliche Ausschreibung erteilt wurde (Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 12).

9. EU sagt nein zum spielsuchtfördernden Verhalten der Länder

Das niedersächsische Glücksspiel "Quicky" beweist die inkonsistente staatliche Glücksspielpolitik (Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 40).

Obwohl Kasinospiele für die Spielsucht gefährlicher sind als Sportwetten, setzen die deutschne Behörden ihre expansive Politik im Bereich der Kasinospiel fort (Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 38).

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein starker Hinweis darauf, dass der Lotteriestaatsvertrag mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts unvereinbar sei (Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 42).

10. EU sagt nein zum Vortäuschen unzureichender Maßnahmen zur Bekämpfung von Spielsucht.

Die Inkonsistenz der Spielsuchtbekämpfung wird auch durch mangelnde Spielkapitalbegrenzung in den Ländern deutlich: Manche Länder ohne Begrenzung, im Übrigen von 250 € bis 2.300 € pro Woche. Dies sei keine wirksame Begrenzung (Schreiben zum Vertragsverletzungsverfahren Rdnr. 44).

Deutscher Lottoverband

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