Dienstag, 14. August 2007

Niedersächsischer Innenminister zum Glücksspielstaatsvertrag

Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Rickert (FDP)

Es gilt das gesprochene Wort!

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Mit Urteil vom 28. März 2006 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung mit dem Grundrecht der
Berufsfreiheit unvereinbar ist. In ihrem Urteil geben die Karlsruher Richter dem Gesetzgeber auf, bis zum 31. Dezember 2007 den Bereich der Sportwetten neu zu regeln.

Möglich sei einerseits eine konsequente Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols in der Weise, dass es tatsächlich der Suchtbekämpfung, dem Spieler- und dem Jugendschutz dient. Andererseits wäre eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltungen von privaten Wettunternehmen zulässig.

Die Mehrzahl der Landesregierungen hat sich für den Weg der Neuausrichtung des Glücksspielmonopols entschieden und einen entsprechenden Entwurf zur Prüfung bei der EU vorgelegt. Allerdings hat der Landtag in Schleswig-Holstein eindeutig die Ablehnung dieses Entwurfes beschlossen. Das Gleiche gilt für die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg. Der Ministerpräsident des Bundeslandes Rheinland-Pfalz hat erklärt, dass er seine Zustimmung zurücknehmen würde, wenn nicht alle anderen Bundesländer dem Vertragsentwurf zustimmen.

Die EU-Kommission hat mehrfach erklärt, dass sie den Staatsvertrag für unvereinbar mit dem europäischen Recht hält, und mehrere renommierte Verfassungsrechtler beurteilen den vorliegenden Entwurf als verfassungswidrig.

Vor der Umsetzung des Staatsvertrages sollte man daher alle Konsequenzen – auch die finanziellen – prüfen. Der Staatsvertrag beinhaltet ein faktisches Berufsverbot und eine Enteignung von privaten Sportwettenanbietern sowie Vertriebspartnern der Sportwetten und Lottoanbieter. Teilweise sind diese bereits seit Jahrzehnten ohne jeglichen Rechtsverstoß in Deutschland tätig. Die Landesregierungen haben sich gemeinsam darauf verständigt, ebenfalls den Inhabern so genannter DDR-Lizenzen die erteilten Genehmigungen zu entziehen. Hierfür sind angeblich auch Zusicherungen zu anteiligen Beteiligungen bei Schadensersatzleistungen gemacht worden.

Beim Vollzug von Enteignungen gibt es in Deutschland unstrittig eine Entschädigungspflicht zugunsten des Betroffenen. So ist erstmals auch vom Amtsgericht München der Firma Wettannahmen S. Springer ein bisher in der Höhe unbezifferter Schadensersatzanspruch anerkannt worden. Der Verfassungsrechtler Prof. Rupert Scholz bezeichnet dieses Urteil als "richtungsweisend".

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. In welcher Höhe besteht und erwartet die Landesregierung Schadensersatzforderungen von Inhabern so genannter DDR-Lizenzen aufgrund der durchgeführten bzw. durchzuführenden Rücknahmen der Genehmigungen und wie hoch wird bei einem Obsiegen der Kläger die Beteiligung des Landes Niedersachsen ausfallen? Sollte sich die Höhe der Beteiligung in Abhängigkeit der Anzahl der ratifizierenden Bundesländer ändern, bitte ich um die Angabe der Höhe bei 16 und bei 13 ratifizierenden Bundesländern.

2. Wie hoch sind die Forderungen der Spielbank Niedersachsen auf Kaufpreisrückerstattung und Schadensersatzzahlung wegen des Verbots des so genannten Onlinecasinos und in welcher Höhe werden sich die anderen Bundesländer bei einer eventuell Niederlage des Landes vor Gericht hieran beteiligen? Sollte sich die Höhe der Beteiligung in Abhängigkeit der Anzahl der ratifizierenden Bundesländer ändern, bitte ich um die Angabe der Höhe bei 16 und bei 13 ratifizierenden Bundesländern.

3. In welcher Höhe erwartet die Landesregierung Schadensersatzforderungen von Sportwettenanbietern und Vertriebspartnern von Sportwettenanbietern und Lotterieprodukten und Bundesligavereinen der Fußballbundesliga? In welcher Höhe werden sich die anderen Bundesländer hieran beteiligen? Sollte sich die Höhe der Beteiligung in Abhängigkeit der Anzahl der ratifizierenden Bundesländer ändern, bitte ich um die Angabe der Höhe bei 16 und bei 13 ratifizierenden Bundesländern.

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Die Landesregierung geht davon aus, dass der Entwurf des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrages - EGlüStV) nach dem Beschluss der MPK vom 13.12.2006 in Niedersachsen – wie in den anderen Ländern - entsprechend der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in diesem Jahr ratifiziert wird. Dieser ist der EU-Kommission im Rahmen eines Notifizierungsverfahrens vorgelegt worden. Mit der EU-Kommission werden auf verschiedenen Ebenen weiterhin Argumente ausgetauscht. Bindende Rechtshindernisse sind weder von der EU-Kommission noch von Seiten des EuGH bekannt geworden. Die jüngsten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EuGH in den Fällen "Gambelli" und "Placanica" sowie des Gerichtshofs der EFTA-Gemeinschaft zu einem Fall aus Norwegen (Mitgliedsstaat im Europäischen Wirtschaftsraum – EWR) bestätigen im Gegenteil, dass ein staatliches Glücksspielmonopol auch unter dem Gesichtspunkt des europäischen Rechts zulässig ist.

Der EGlüStV schreibt den bestehenden Staatsvertrag aus dem Jahr 2004 fort und berücksichtigt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Der EGlüStV konkretisiert und erweitert die Rechtsgrundlagen und die Glücksspielaufsicht im Staatsmonopol im Sinne der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Bisher legale Anbieter werden nicht verboten, sondern allenfalls in Teilbereichen in der Gewerbeausübung beschränkt. Bisher illegale Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen werden allerdings auch in Zukunft keine Legalisierung erfahren. Insoweit kann weder eine Enteignung noch ein sonstiger schon konkretisierbarer Rechtsgrund für Schadenersatzforderungen aus dem künftigen Glücksspielrecht in Niedersachsen oder in anderen Bundesländern erkannt werden.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 verbietet innerhalb der den Landesgesetzgebern eingeräumten Übergangsfrist bis zum 31.12.2007 die Erweiterung des Spielangebots. Eine solche Erweiterung hätte das Internetspielangebot für die Spielcasinos dargestellt, weshalb das Finanzministerium den Antrag im Februar 2007 abgelehnt hat.

Casinos Austria International (CAI) hat der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft mbH (HanBG) im Rahmen des im November 2004 geschlossenen Kaufvertrages einen anteiligen Kaufpreis in Höhe von 7,6 Mio. Euro dafür gezahlt, dass zum 01.07.2005 die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür bestehen, dass die Spielbanken Niedersachsen GmbH (SNG) das Internet-Glücksspiel im Land Niedersachsen durchführen kann.

Wirtschaftliche Auswirkungen wird dieser Vertragsbestandteil jedoch nicht mehr haben, da sich das Land lediglich verpflichtet hat, die im Vertrag genannten "Rahmenbedingungen" bis zum 1. Juli 2005 zu schaffen. Diese Verpflichtung ist erfüllt worden (mit der ÄndVO zur NSpielO vom 22. Juni 2005, GVBl. S. 193). Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2006 konnte das Internetspiel nicht mehr genehmigt werden. Hierauf hat die Landesregierung keinen Einfluss und kann daher für die Rechtsfolgen des Bundesverfassungsgerichtsurteils aus dem Vertrag nicht in Anspruch genommen werden.

Die Landesregierung kann nur Aussagen zu den in Niedersachsen geltenden Bestimmungen, Rechtsverhältnissen und Rechtsfolgen machen. Aussagen zu Zahlungsverpflichtungen aus anderen Bundesländern und eventuellen Beteiligungen sind daher generell und konkret unter Berücksichtigung der in der Neufassung befindlichen Rechtsgrundlagen nicht möglich.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.: Schadenersatzforderungen von Inhabern so genannter DDR-Lizenzen liegen in Niedersachsen nicht vor.

Zu 2.: Die CAI hat gegenüber der HanBG aus dem Kaufvertrag heraus Rückzahlungsansprüche i. H. v. 7,3 Mio. EUR nebst Zinsen geltend gemacht. Eine Geltendmachung des darüber hinaus gehenden Kaufpreisanteils ist nach dem Kaufvertrag ausgeschlossen. Schadenersatzansprüche wegen der abgelehnten Genehmigung für den Betrieb von Spielangeboten im Internet sind dem Land gegenüber bisher nicht geltend gemacht worden. Eine Beteiligung der übrigen Bundes-länder an den dem Land eventuell entstehenden finanziellen Aufwendungen ist nicht vorgesehen.

Zu 3.: In Niedersachsen betreibt allein die Toto-Lotto-Niedersachsen GmbH legale Sportwetten. Dies soll auch künftig so bleiben. Alle bisher ergangenen Ablehnungen von Konzessionsanträgen und Untersagungen wurden von den Gerichten bestätigt. Forderungen von Fußballvereinen sind nicht bekannt.

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