Samstag, 22. Mai 2010

Verwaltungsgericht Stuttgart gewährt angesichts europarechtlicher und verfassungsrechtlicher Bedenken gegen den Glücksspielstaatsvertrag weiter Vollstreckungsschutz

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat einem Sportwettenvermittler Vollstreckungsschutz gegen eine Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe gewährt (Beschluss vom 19. Mai 2010, Az. 4 K 1562/10). Der von der Kanzlei ARENDTS ANWÄLTE vertretene Vermittler kann damit weiter Verträge über Sportwetten an den in Österreich staatlich zugelassenen Buchmacher vermitteln, ohne ein Zwangsgeld zahlen zu müssen.

In der Entscheidung verweist das Verwaltungsgericht auf seine durchgreifenden europarechtlichen Bedenken hinsichtlich den in Deutschland bestehenden Sportwettenmonopols, wegen der das Gericht mehrere Verfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt hatte. Auch nach dem Liga Portugesa-Urteil des EuGH seien die Anforderungen an Verhältnismäßigkeit und Kohärenz weiter offen. Gegen „die aktuelle nationale Rechtslage und Verwaltungspraxis“ bestünden auch unter Berücksichtigung der Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts vom 4. März 2010 weiterhin „erhebliche gemeinschaftsrechtliche Bedenken“.

Im Übrigen äußert das Verwaltungsgericht Stuttgart durchgreifende verfassungsrechtliche Zweifel. Das Gericht verweist hierzu auf die massive Bewerbung des staatlichen Angebots und die „wohl nicht stringente Einhaltung des Verbots einer Werbung für staatliche Sportwetten mit Aufforderungscharakter“. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken würden von einer „beachtlichen Anzahl von Verwaltungsgerichten“ geteilt (VG Freiburg, VG Karlsruhe, VG Minden, VG Neustadt an der Weinstraße, VG Arnsberg, VG Frankfurt am Main, VG Mainz, VG Berlin, VG Braunschweig, VG Hamburg, OVG Rheinland-Pfalz).

Eine rechtliche Klärung werden voraussichtlich die Urteile des EuGH zu den Ende letzten Jahres verhandelten deutschen Sportwetten-Vorlagen bringen. Urteile der EuGH zu zwei Sportwetten-Vorlageverfahren aus den Niederlanden (Rechtssachen Betfair und Ladbrokes) werden bereits am 3. Juni 2010 verkündet werden.

Donnerstag, 20. Mai 2010

Goldmedia: Kontrollverlust im deutschen Glücksspielmarkt

- Aktuelle Regelungen im deutschen Glücksspielmarkt stärken Markt im rechtsgrauen Raum und fördern Schwarzhandel

- Ohne den bislang verbotenen Onlinevertrieb sind Glücksspielprodukte heute nicht mehr zeitgemäß

- Anstehende Neuregelungen bieten Chance, nicht gewollte Effekte zu korrigieren und ans Ausland verlorene Marktanteile zurückzugewinnen

- Neue Goldmedia-Studie analysiert verschiedene Entwicklungsszenarien bis 2015 mit stark differenten Wirkungen auf den Glücksspielmarkt

Berlin, den 19. Mai 2010. Durch die restriktiven Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages aus dem Jahr 2008 entwickeln sich große Teile des deutschen Glücksspielmarktes unkontrolliert und werden von ausländischen Anbietern abgeschöpft. Die Folgen sind fiskalische Einbrüche bei Staatseinnahmen und Sportsponsorings sowie das weitere Abwandern der Spieler auf ausländische Glücksspiel-Angebote, ganz besonders im zunehmend attraktiven Online-Bereich.

Das Beratungsunternehmen Goldmedia (http://www.goldmedia.com) hat in der aktuellen Studie „Glücksspielmarkt Deutschland 2015“ die Auswirkungen des Glücksspielstaatsvertrages, der mit Blick auf die Suchtprävention das staatliche Monopol stärkt und Online-Vertrieb sowie Glücksspiel-Werbung verbietet, eingehend analysiert und mögliche Entwicklungsszenarien bis 2015 beschrieben. Die Studie wurde heute in Berlin veröffentlicht.

Veränderungen auf dem Glücksspielmarkt haben starke gesamtwirtschaftliche Auswirkungen. Abhängig sind zum Beispiel der Werbemarkt, damit auch die Medien- und Telekommunikationsbranche sowie das Gaststättengewerbe. Hauptsächlich profitieren die Landeshaushalte durch Steuer- und Zweckabgaben, die mit dem Glücksspiel generiert werden. 2009 waren das nach Goldmedia-Schätzung 4,6 Mrd. Euro. (inkl. Unterhaltungsautomaten). Seit 2005 fehlen in den Länderkassen kumuliert 2,4 Mrd. Euro (ohne Unterhaltungsautomaten).

„Die anstehende Neuordnung des Glücksspielstaatsvertrags, die spätestens bis Ende 2011 erfolgen muss, bietet die Chance zur Überprüfung nicht gewollter Effekte“, betont Studienautor und Senior Consultant Dr. Michael Schmid. „Das gilt insbesondere für die Regulierung der bislang verbotenen Angebote im Internet. Ohne Onlinevertrieb ist der Glücksspielmarkt heute nicht mehr zeitgemäß. Zudem bewirken die aktuellen Regelungen, dass neben dem regulierten und erlaubten Markt vor allem der sogenannte „unregulierte“ Markt weiter anwächst – ein Bereich, der von privaten Anbietern überwiegend mit Lizenzen im Ausland betrieben wird und heute rund 1,5 Mrd. Euro, damit ca. 25 Prozent der Bruttospielerträge ausmacht. Mit dem Schwarzmarkt, der sich im Bereich der Sportwetten entwickelte, sind es sogar 1,7 Mrd. Euro. Diese Marktanteile könnten nach Deutschland zurückgeholt werden.“

Goldmedia hat in der neuen Studie die Marktwirkungen verschiedener Szenarien betrachtet: Erstens die Fortführung der bisherigen restriktiven Regelungen (Ist-Szenario), zweitens die regulierte Zulassung privater Anbieter (sanfte Regulierung) und drittens die weitgehende Öffnung des Glücksspielmarktes. (Umfangreiche Marktöffnung) Nachhaltig sind vor allem die Wirkungen auf das Verhältnis von „reguliertem Markt“ (durch die geltenden Rechtsvorschriften geregelte und erlaubte Angebote) und „unreguliertem Markt“ (Anbieter im rechtsgrauen Raum und im Ausland). Der Anteil des unregulierten Marktes würde je nach Szenario zwischen 30 und nur noch ein Prozent variieren. (Ohne Einbeziehung gewerblicher Spielautomaten)

„Forderungen nach einer staatlich regulierten und kontrollierten Öffnung der Glücksspielmärkte werden derzeit sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf politischer Ebene wieder häufiger diskutiert“, beschreibt Studienautor Dr. Michael Schmid die Erfahrungen aus den Marktanalysen. „Eine Regulierung, die den Onlinevertrieb im Allgemeinen und in der EU lizenzierte private Onlineangebote im Speziellen ausklammert, geht allerdings schlichtweg an der Realität vorbei. 2009 hatte Online-Glücksspiel (inklusive Lotto) bereits eine Marktgröße von rund 1 Mrd. Euro nach Bruttospielertrag. “

Entwicklungsszenarien und ihre Marktwirkungen bis 2015 (1)

Szenario 1 – Ist-Szenario:

Bleiben die restriktiven Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages auch nach der Neuverhandlung bestehen, gehen dem regulierten Glücksspielmarkt bis 2015 gegenüber 2009 weitere 1,5 Mrd. Euro (Bruttospielerträge)(2) verloren.

Der Anteil des unregulierten Marktes, der vor allem aus ausländischen Onlineangeboten besteht, würde weiter ansteigen und nach Goldmedia-Prognosen von 22 Prozent (2009) auf knapp 30 Prozent des Gesamtmarktes im Jahr 2015 anwachsen.

Szenario 2 – Sanfte Regulierung:

Sollte es zu einer regulierten Zulassung privater Anbieter kommen – insbesondere bei der Lottovermittlung und bei Sportwetten sowie zur Erlaubnis von Glücksspielwerbung ähnlich der Situation in Deutschland vor Einführung des Glücksspielstaatsvertrages, würde das Marktvolumen im regulierten Bereich im Jahr 2015 um 1,9 Mrd. Euro höher liegen als 2009. Gegenüber dem Ist-Szenario entstünden dadurch im Jahr 2015 über 3,4 Mrd. Euro Zusatzerlöse.

Der Anteil des unregulierten Marktes würde 2015 nur noch rund elf Prozent betragen. Stationäre Wettangebote sowie die online erwirtschafteten Umsätze durch Sportwetten und Lottoangebote könnten wieder legalisiert werden und in Deutschland für versteuerbares Einkommen sorgen.

Szenario 3 – Umfangreiche Marktöffnung:

Sollte der Glücksspielmarkt sehr umfangreich geöffnet werden, würde das Plus im regulierten Gesamtmarkt bei 3,7 Mrd. Euro gegenüber 2009 liegen. In diesem Szenario – in etwa mit der aktuellen Situation in Großbritannien vergleichbar – gebe es zusätzlich eine freiere Konzessionierung im Sportwettenbereich, ferner wären Online-Vertrieb für Casino-Produkte und private Anbieter für Online-Casinospiel erlaubt.

Der unregulierte Markt würde im Jahr 2015 mit lediglich ein Prozent Marktanteil kaum noch eine Rolle spielen. Der zurzeit hohe Schwarzmarkt-Anteil im Sportwettenbereich von 2009 geschätzten 1,0 Mrd. Euro Spieleinsatz würde gleichzeitig an Größe verlieren. Gegenüber dem Jahr 2015 im Ist-Szenario entstünde in diesem Modell ein zusätzliches jährliches Marktvolumen nach Bruttospielertrag in Höhe von über fünf Mrd. Euro.

Anmerkungen im Text

(1) Alle Angaben ohne gewerbliche Unterhaltungsautomaten und ohne Schwarzmarkt Wetten
(2) Bruttospielerträge = Spieleinsätze ohne Gewinnauszahlungen


Quelle: Die Studie „Glücksspielmarkt Deutschland 2015“ erfasst die Entwicklungen des Glücksspielmarktes in Deutschland von 2005 bis 2009 und enthält Prognosen zur Marktentwicklung bis 2015. Die Studie ist die Nachfolgepublikation von „Online Betting & Gambling 2010“, Goldmedia 2006. Seitdem gab es in Deutschland erhebliche Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen. Die aktuelle Studie zieht Bilanz und bietet eine fundierte Datenbasis zum Gesamtmarkt sowie zu den Spielerträgen und Marktanteilen der einzelnen Glücksspiel-Segmente Lotto, Casino, Automaten, Poker und Wetten, analysierte dabei stationäre sowie Online-Vertriebswege. Die Studie betrachtet sowohl den regulierten als auch unregulierten Glücksspielmarkt. Damit veröffentlicht Goldmedia die erste Studie, die den deutschen Glücksspielmarkt komplett untersucht.

Die Key Facts der Studie (12 Seiten, ohne Marktprognose) stellt Goldmedia Interessenten kostenlos zur Verfügung. Bestellung über: www.Goldmedia.com

Die komplette Studie „Glücksspielmarkt Deutschland 2015“ (130 Seiten, 112 Abb./Charts) ist kostenpflichtig und kann unter www.goldmedia.com bestellt werden.

Pressemitteilung der Goldmedia GmbH

Süddeutsche Zeitung: „Frisiertes Gutachten“ zum Glücksspielstaatsvertrag

Heute und morgen (20. und 21. Mai 2010) findet in Mainz eine Anhörung zur Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrags statt. Hierfür wurde bei dem Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung ein Gutachten in Auftrag gegeben. In der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ wird allerdings darauf hingewiesen, dass es zwei Versionen der Studie gebe, die sich inhaltlich widersprechen. So heißt es in der ersten Version vom 15. April 2009: "Nach den Erkenntnissen der Suchtforschung ist ein kleiner, konsequent regulierter Glücksspielmarkt anzustreben". In der Version vom 31. Juli 2009 dagegen steht, es sei ein „kleiner, konsequent regulierter Glücksspielmarkt im Rahmen eines staatlichen Monopols anzustreben“.

Eine Antwort, wie die geänderte monopolfreundliche Fassung zustande gekommen sei, gibt nach den Recherchen des „Süddeutschen Zeitung“ ein Protokoll des Lotto-Lenkungsausschusses der Länder: Den Schweizer Gutachtern sollte demnach „eine Liste offenkundig korrekturbedürftiger inhaltlicher Passagen bzw. ergänzungsbedürftiger fehlender Ausführungen“ zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollte „eine sprachliche Überarbeitung unter Einbeziehung eines deutschen Muttersprachlers“ erfolgen.

Glücksspielstaatsvertrag: "Auf einem guten Weg"

Pressemitteilung Rheinland-Pfalz

"Die Diskussion zur Zukunft des Glücksspielwesens in Deutschland befindet sich auf einem guten Weg“. Das sagte der Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Staatssekretär Martin Stadelmaier anlässlich der Eröffnung der zweitägigen mündlichen Anhörung zur Evaluation des Glücksspielstaatsvertrages im Mainzer Schloss.

Vor dem Hintergrund der bis zum 31. Dezember 2011 befristeten Laufzeit des Glücksspielstaatsvertrages hatte die Ministerpräsidentenkonferenz mit Beschluss vom 13. Dezember 2006 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die bis September 2010 Empfehlungen für die künftige Ausgestaltung des Glücksspielstaatsvertrages erarbeitet.

Der ergebnisoffenen, strukturierten Anhörung haben sich in dem im März 2010 durchgeführten schriftlichen Verfahren insgesamt 117 Organisationen, Verbände, Institutionen und Vertreter der begleitenden wissenschaftlichen Forschung mit 92 Beiträgen eingebracht. Die zweitägige mündliche Anhörung in Mainz dient nun der vertieften Information und bietet die Möglichkeit, zu ausgewählten Aspekten den bisherigen Meinungsaustausch zu intensivieren. Im Fokus steht neben Fragen zu möglichen künftigen Regelungsmodellen, der Abgabenerhebung, der Generierung von Mitteln für gemeinnützige Zwecke, der Suchtprävention, des Jugend-, Konsumenten- und Spielerschutzes auch die Diskussion um künftige Regelungen für die Bereiche Werbung, das gewerbliche Spiel und das Internet.

"Die Länder haben ein ernsthaftes Interesse, die bisherigen Erfahrungen mit dem seit 2008 geltenden Staatsvertrag sachorientiert und intensiv von allen Seiten zu beleuchten und die unterschiedlichen Interessenlagen aller Beteiligten auszuloten“, so Staatssekretär Stadelmaier zu Beginn der Konferenz. Er dankte den Teilnehmern der Anhörung für ihr Engagement und die hohe Qualität der vielfältigen Beiträge des schriftlichen Anhörungsverfahrens. "Ich hoffe, dass wir diesen bisher guten Weg auch weiter fort beschreiten können, um für die Zeit nach 2011 zu einem Regelwerk zu kommen, das auf der Grundlage der geltenden Rechtsprechung die verschiedenen Interessenlagen aller Beteiligten sachangemessen berücksichtigt und den wesentlichen Zielen der Bekämpfung von Glücksspielsucht und Kriminalität gleichermaßen Rechnung trägt“.

Mittwoch, 19. Mai 2010

GIG: Glücksspielstaatsvertrag: Fortgesetzter Gesetzesbruch durch staatliche Lottogesellschaften

Deutscher Lotto- und Totoblock fordert Freibrief für Verstöße

19.05.2010 – Bernhard Brunner von der Staatlichen Lotterieverwaltung Bayern erlangt zunehmend Bekanntheit. Als Vorbote des Glücks und Herold des Geldsegens kündigt er der Öffentlichkeit seit Jahresbeginn riesige Höchstgewinne an und teilt mit, wo sich die Jackpotmillionen ergießen. Ab ca. 10 Millionen Euro heizen die staatlichen Lottogesellschaften auch auf www.lotto.de das Jackpotfieber an. Allein von Januar bis April 2010 beziehen sich 31 von 36 dort veröffentlichten Pressemitteilungen auf hohe Jackpots und Jackpotgewinne. Das wäre völlig in Ordnung, wenn es da nicht den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) gäbe.

Der Staatsvertrag verbietet seit dem 1.1.2008 Werbung für öffentliches Glücksspiel nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Internet. Doch selber will man sich nicht an das Werbeverbot halten. Unter www.lotto.de präsentieren die im Deutschen Lotto- und Totoblock (DLTB) zusammengeschlossenen staatlichen Lottogesellschaften ihre Lotterien und Sportwetten, deren Spielregeln und Gewinnpläne sowie die attraktiven Höchstgewinne und Image fördernde Zuwendungen an Sport, Wohlfahrt und Kultur. Das sei völlig legitim, da man doch nur über das staatliche Glücksspielangebot informiere und damit dem gesetzlichen Auftrag der Kanalisierung nachkomme, argumentiert der Lottoblock.

Allerdings akzeptierten die mit dieser Rechtsfrage beschäftigten Gerichte diese Rechtfertigung nicht. Die Oberlandesgerichte München, Oldenburg, Koblenz, Brandenburg, Frankfurt/Main, Hamm und das Kammergericht in Berlin machten bereits deutlich: Jede zur Absatzförderung geeignete Äußerung über Lotterien und Sportwetten erfüllt den Tatbestand der Werbung. Jackpotbanner, Darstellungen von Annahmestellen, virtuelle Spielscheine, Ankündigungen zu Mehrwochenspielscheine für die Urlaubszeit, Mitteilungen über neue Rubbellose oder Sonderauslosungen sind danach verboten. So wurde die Staatliche Lotterieverwaltung in Bayern unter ihrem Präsidenten Erwin Horak inzwischen mehrfach wegen schwerwiegender Verstöße gegen den GlüStV rechtskräftig verurteilt. Aber trotz dieser eindeutigen Urteile schreiten die staatlichen Glücksspielaufsichtsbehörden offensichtlich in keinem Bundesland gegen die Lottogesellschaften ein.

Ob Bernhard Brunner noch lange seine Glücksbotschaften über Internet verbreiten kann, erscheint dennoch fraglich. Denn jetzt beschäftigt sich das Landgericht Oldenburg mit der Website von lotto.de. In der mündlichen Verhandlung am 28. April 2010 machte das Gericht bereits unmissverständlich klar, dass es die beanstandeten Äußerungen als Werbung für öffentliches Glücksspiel ansehe (Az.: 5 O 927/08). Eine Entscheidung soll am 30.06.2010 verkündet werden.

Der DLTB bemüht sich derweil, das Glücksspiel- und Wettbewerbsrecht umzuschreiben. Die aktuelle Anhörung zur Evaluierung des Staatsvertrages wurde genutzt, um den zuständigen Politikern einen Forderungskatalog vorzulegen. Im Wesentlichen beanspruchen die staatlichen Lottogesellschaften für sich:

- Freigabe des Internetvertriebs ausschließlich für staatliche Veranstalter,
- auf das Werbeverhalten der Blockgesellschaften zugeschnittene Lockerungen der Werbebeschränkungen für das staatliche Glücksspielangebot und
- eine Bereichsausnahme vom Wettbewerbsrecht für die Blockgesellschaften, die sich durch die wettbewerbsrechtliche Kontrolle durch die staatlichen Gerichte und durch die regelmäßigen Verurteilungen wegen Verstoßes gegen glücksspielrechtliche Spieler- und Jugendschutzvorgaben und Werbebeschränkungen behindert fühlen.

Gleichzeitig sollen die Beschränkungen für gewerbliche Vermittler verschärft werden. Begründung: deren Angebote seien zwangsläufig schädlich und Spielsucht gefährdend.

Manche dieser Forderungen werden schon an der fehlenden Gesetzgebungszuständigkeit der Länder scheitern. Zu den gänzlich unrealistischen Forderungen des Lottoblocks gehört deshalb u.a. auch die Verstaatlichung der Automatenwirtschaft. All das zielt darauf, die Lottogesellschaften im Rahmen der für 2012 anstehenden Neuregelung des Glücksspielbereichs von ganzen Teilen der Rechtsordnung, vor allem des Bundesrechts freizustellen und ihnen quasi rechtsfreie, von jeder gerichtlichen Kontrolle befreite Räume zu eröffnen. Das ist nicht nur völlig absurd, sondern würde die bestehenden Probleme im Glücksspielbereich noch verschärfen.

GIG – Verband für Gewerbetreibende im Glücksspielwesen e.V.
Im MediaPark 8
50670 Köln
E-Mail: presse@gig-verband.de
www.gig-verband.de

Montag, 17. Mai 2010

Europäischer Gerichtshof verkündet Ladbrokes- und Betfair-Urteile am 3. Juni 2010

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) wird seine Urteile in den beiden niederländischen Vorlageverfahren Betfair (Rechtssache C-203/08) und Ladbrokes (Rechtssache C-258/08) am Donnerstag, den 3. Juni 2010, um 9:30 Uhr verkünden. Beide Verfahren waren von der Zweiten Kammer des Gerichtshofs am 12. November 2009 verhandelt worden. EuGH-Generalanwalt Yves Bot hatte seine Schlussanträge am 17. Dezember 2009 veröffentlicht.

Hintergrund der Vorlagesache Betfair ist ein langjähriger verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreit zwischen der Wettbörse Betfair (offizieller Firmenname: The Sporting Exchange Ltd) und dem niederländischen Justizminister. Die Vorlage betrifft im Übrigen die Vergabe einer Glücksspielkonzession. Betfair hatte sich nämlich, nachdem sich das Justizministerium geweigert hatte, den Zugang der Wettbörse für niederländische Bürger für unbedenklich zu erklären, 2004 für zwei Glücksspielkonzessionen beworben. Das Ministerium stellte sich allerdings auf dem Standpunkt, dass diese Konzessionen automatisch zu verlängern seien, solange der bisherige Konzessionsinhaber dies wünsche (d.h. dass keine Ausschreibung zu erfolgen habe).

Der Rechtssache Ladbrokes liegt ein umfangreiches Gerichtsverfahren zwischen dem Buchmacher Ladbrokes und dem niederländischen Monopolanbieter De Lotto zugrunde. Dem Buchmacher Ladbrokes war 2002 untersagt worden, Sportwetten von niederländischen Bürgern anzunehmen.

Nach Auffassung des Generalanwalts in seinen Schlussanträgen vom 17. Dezember 2009 ist es den Inhabern von Ausschließlichkeitsrechten (Monopolanbietern) für Glücksspiele unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, ihr Angebot durch Einführung neuer Spiele und durch Werbung attraktiver zu machen. Soweit die niederländische Regelung die Verbraucher gegen die Spielsucht schützen wolle, müssten jedoch die Einführung neuer Spiele und die Werbung vom Mitgliedstaat streng kontrolliert und begrenzt werden. Das Angebot der Inhaber ausschließlicher Rechte und die Werbung für erlaubte Spiele dürften nicht zu übermäßigem Spiel verleiten, das die Verbraucher oder zumindest die labilsten unter ihnen dazu bringen könnte, mehr als den Teil ihrer Einkünfte auszugeben, den sie zu ihrem Vergnügen verwenden können. Im Übrigen ist er der Ansicht, dass die zuständigen Behörden eine angemessene Ausschreibung durchführen müssen, wenn sie einem privaten Wirtschaftsteilnehmer das ausschließliche Recht für den Betrieb eines Glücksspiels im Rahmen eines Verfahrens der Zulassung oder der Erneuerung dieser Zulassung verleihen wollen.