Mittwoch, 8. Juli 2015

Deutscher Lottoverband: Glücksspieländerungsstaatsvertrag: Deutschland droht Vertragsverletzungsverfahren aus Brüssel

Europäische Kommission kritisiert erneut auch die unverhältnismäßigen Einschränkungen für die Vermittlung deutscher Lotterien

Hamburg 08.07.2015 – Die EU-Kommission hat im Rahmen des EU Pilot ihre europarechtlichen Bedenken gegen den im Dezember 2012 von 15 Länderchefs unterzeichneten Glücksspieländerungsstaatsvertrag bekräftigt (7625/15/GROW). Die Kritik der Kommission richtet sich u.a. auch gegen das sogenannte Regionalisierungsprinzip bei „Lotto 6aus49“. Das Verbot der Vermittlung in andere deutsche Bundesländer wird von den Ländern damit gerechtfertigt, spielanreizenden Wirkungen vorzubeugen. Diese seien jedoch im Bereich der Lotterien wegen des sehr geringen Suchtpotentials nicht nachvollziehbar.

„Das Regionalisierungsprinzip dient allein der Verdrängung unabhängiger Lotterievermittler, die im Internet mit den staatlichen Veranstaltern im Wettbewerb stehen“, so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes. Die Lottogesellschaften hatten infolge der Regionalisierungspflicht die Vergütung der Lotterievermittler um bis zu 40 % reduziert. Faber: „Gleichzeitig quersubventionieren die staatlichen Anbieter ihre eigenen Online-Angebote offensichtlich mit dem Geld der Steuerzahler.“ Die Monopolkommission der Bundesregierung hatte die Länder bereits 2012 vor einer Diskriminierung unabhängiger Lotterievermittler gewarnt.

„Die Macher des Glücksspieländerungsstaatsvertrages haben es in den vergangenen vier Jahren nicht geschafft, die Fragen der Kommission schlüssig zu beantworten, nun droht ein Vertragsverletzungsverfahren“, so Faber. Wider besseren Wissens habe Deutschland einen sowohl politisch wie auch wirtschaftlich völlig unnötigen und desaströsen Streit mit Europa vom Zaun gebrochen. „Es wird allerhöchste Zeit, dass der Glücksspielstaatsvertrag erneuert wird.“ Schon im Juli 2011 hatte die EU-Kommission einen Vorentwurf des neuen Staatsvertrages in zahlreichen zentralen Punkten beanstandet. Im März 2012 bestärkte die EU-Kommission in einem Schreiben an die Bundesregierung ihre Kritik, insbesondere auch an der Regionalisierungspflicht.

Namhafte Verfassungs- und Europarechtsexperten wie Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier (Universität München), Prof. Dr. Bernd Grzeszick (Universität Heidelberg), Prof. Dr. Andreas Fuchs (Universität Osnabrück), Prof. Dr. Matthias Rossi (Universität Augsburg) und zuletzt Prof. Dr. Hans Dieter Jarass (Universität Münster) kritisieren den Glücksspieländerungsstaatsvertrag als verfassungs- und europarechtswidrig. Schwerpunkt der Kritik ist der inkohärente und unsystematische Regelungsansatz, weil gefährliche Glücksspiele liberalisiert werden, während hingegen das harmloseste Glücksspiel, Lotto, monopolisiert und im Vertrieb erheblich beschränkt wird. Als Begründung dient die nicht nachvollziehbare und vielfach widerlegte Argumentation, Lotto mache süchtig. „Mit diesem Märchen werden unabhängige Lotterievermittler seit Jahren diskriminiert“, so Norman Faber. „Sie müssen aufgrund des auch von der EU-Kommission kritisierten Regionalisierungsprinzips in jedem Bundesland unterschiedliche Erlaubnisse einholen; klare und objektive Kriterien gibt es dafür ebenso wenig wie einen Rechtsanspruch.“

Nur das Land Schleswig-Holstein hatte sich 2012 mit einem eigenen Glücksspielgesetz auf einem rechtssicheren Kurs befunden. Dieser Alleingang endete jedoch nach den Neuwahlen der Landesregierung wenige Monate später. Faber: „Die Lösung für eine bundesweite, europarechtskonforme Regelung liegt schon lange auf dem Tisch. Das Glücksspielgesetz aus Schleswig-Holstein wurde seinerzeit von der Kommission im Notifizierungsverfahren als europarechtskonform gebilligt und ist international anerkannt.“

Der EU Pilot ist der letzte Ausweg vor Einleitung eines formellen Vertragsverletzungsverfahrens durch die Europäische Kommission. Er dient der Klärung oder Lösung von Problemen bezüglich der Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem EU-Recht. Deutschland hat nun 10 Wochen Zeit, um auf den EU Pilot der Kommission zu antworten.

Hans-Jörn Arp und Wolfgang Kubicki: Vernichtender kann das Urteil der EU-Kommission nicht ausfallen

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, und der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki, haben die Einleitung eines Pilotverfahrens durch die EU-Kommission wegen des Glücksspielmonopols als letzte Chance für die Ministerpräsidenten der Länder bezeichnet, ihren Irrweg zu korrigieren:

„Wer die üblicherweise diplomatischen Formulierungen der EU kennt, der weiß, dass es kaum eine schlimmere Klatsche geben kann. Die EU-Kommission fragt unzweifelhaft an, wie die deutschen Behörden das fortdauernde unionsrechtswidrige Sportwettenmonopol unverzüglich beenden wollen. Die Frage, ob die von den Bundesländern zu verantwortende Regelung rechtswidrig ist, wird überhaupt nicht mehr gestellt“, erklärte Arp heute (08. Juli 2015) in Kiel.

Die Kommission stelle zu Recht fest, dass 90 Prozent des Sportwettenumsatzes in Höhe von 3,8 Milliarden Euro derzeit im nicht regulierten Online-Angebot stattfänden. Vor diesem Hintergrund sei das mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgte Ziel, das Spiel zur Sicherstellung von Spielerschutz und Suchtprävention in geregelte Bahnen zu lenken, offensichtlich gescheitert.

„Genau deshalb hatten CDU und FDP ein eigenes Glücksspielgesetz erlassen. SPD, Grüne und SSW haben die Spieler mit ihrem Beitritt zum Glücksspielstaatsvertrag nachweislich zurück in die Arme illegaler Anbieter getrieben. Auch wenn Herr Dr. Stegner das Gegenteil behauptet: Die Begründung der Einleitung dieses Pilotverfahrens durch die EU-Kommission entlarvt ihn als den wahren Schutzpatron der Zocker- und Geldwäschemafia“, sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki.
Arp und Kubicki forderten die Ministerpräsidenten der Länder auf, nicht länger an diesem zu Lasten der Sucht- und Spielerprävention gehenden Vertrag festzuhalten.

„Dieser Glücksspielstaatsvertrag ist von deutschen und europäischen Gerichten in der Luft zerrissen worden. Jetzt zieht die EU-Kommission nach. Ein Vertragsverletzungsverfahren würde die Ministerpräsidenten endgültig bis auf die Knochen blamieren. Unser Gesetz ist von der EU-Kommission notifiziert worden und hat sich in der Praxis bewährt. Die Länder wären gut beraten, es zu übernehmen“, so Arp und Kubicki.